KI-Ketzerei Log 11
#1
*** USS Feynman / Transporterraum ***

Die Matrix unserer Translatoren war mit den neuen Referenzen geupdatet worden, die wir aus den Audio-Visio-Drohnen gewonnen hatten. Bei einem Vergleich mit den Files in der Datenbank zu Spiros Alpha – die ja schon an die hundert Jahre alt waren – hatten wir nämlich festgestellt, dass doch zahlreiche Veränderungen in der Sprache stattgefunden hatten. Trotz aller Vorliebe für Bewahrung der Tradition waren die Bewohner des Planeten nicht so rigoros, wie einige abgeschottete Sektierer, die über Jahrhunderte eine alte Sprachform einzementiert bewahrten: die Ma’Travith auf Vulkan beispielsweise, oder auch die Mennonitenkolonien in Südamerika auf Terra.

Nachdem wir uns passende Kleidung repliziert hatten, fanden wir uns im Transporterraum Eins der Feynman ein. Bisher war es der einzige, in dem die Musterpuffer wieder funktionstüchtig waren.

LaSalle studierte mit düsterer Miene die Details auf seinem Pad. Aber vielleicht lag es auch nur an der unbequemen Halskrause, die sein ‚Kostüm‘ zierte! Laut unserer Informationen entsprach seine Kleidung der eines Regierungsbeamten. Würde war bekanntlich immer unbequem…
Chris Reed neben ihm trug einen Arbeiteroverall, in dessen Taschen eine Reihe Ausrüstungsgegenstände untergekommen waren. Ich selbst hatte ein Klein und einen Umhang mit bestickter Borte gewählt, einigermaßen unauffällig und stadtbürgerlich. Das Ziel war, gegebenenfalls mit so vielen verschiedenen Bevölkerungsgruppen so unauffällig wie möglich interagieren zu können.

Unsere letzten beiden Teammitglieder traten aus dem Lift: Dr. Val’Kara in einem ortstypischen Krankenschwester-Outfit mit einer skurrilen Haube – über die sie sich gerade wieder entrüstete – und Richard in einer weich fallenden, bodenlangen dunklen Robe.

„Ah, wie ich sehe, haben Sie es geschafft, das bequemste Gewand zu ergattern,“ meinte LaSalle in seine Richtung und schob unbewusst wieder die Finger unter die Halskrause.

„Vielleicht ist mein Amt umso unbequemer, Admiral“, erwiderte Richard mit einem leichten Lächeln. „‘Beglaubigter Wahrer der Identität‘ stand auf dem Memento der Person, nach der wir diese Gewandung gestaltet haben. Das hört sich ziemlich anstrengend an.“

„Ja, klingt nach staubigen Büchern und Mottenkugeln,“ grinste Reed, „genau wie bei Ihnen, Rufus! Na, wenigstens habe ich den Funjob, als Dampfbahnmechaniker.“

„Sehen Sie lieber zu, dass Sie kein Verkehrschaos verursachen,“ brummte Val’Kara.

„Ich hoffe, dass wir einen Großteil der Crew bereits in dem Höhlensystem finden, das wir bereits in Verdacht haben aufgrund der Transporterlogs,“ ergriff ich das Wort. „Die Drohnen haben zwar nichts registriert, aber das könnte an den Lagerstätten von Beryllium liegen, die wir dort ausfindig gemacht haben.“

„Und an dem ganzen Dreck in der Atmosphäre,“ fügte Val’Kara hinzu.

Chris Reed justierte den Transporter auf automatischen Transfer zu unseren Zielkoordinaten und wir traten auf die Transferpads.


*** Spiros Alpha / Höhlensystem ***

Unser Team materialisierte wie geplant in der ersten großen Höhle, einige Meter vom Eingang entfernt. Draußen strahlte die Nachmittagssonne und über die Felsen hing ein Vorhang von rötlich-violetten Blattpflanzen. Sie bewegten sich sanft im Wind – und das war das einzige Lebenszeichen, das wir registrieren konnten. Nun, aus der Nähe, stellten unsere Tricorder zweifelsfrei fest, dass sich hier keine Crewmitglieder der Feynman aufhielten.

„Aber sie waren hier, zumindest einige von ihnen,“ sagte Dr. Val’Kara und ließ den Tricordersensor über eine der Höhlenwände schweifen. Ich registriere molekulare Verbindungen aus Atemluftniederschlag, die nur menschlichen und andorianischen Ursprungs sein können. Etwa fünf Tage alt.“

„Wahrscheinlich haben sie die Höhlen wegen des näher rückenden Rodungsareals verlassen, das wir ja schon auf den Drohnenaufnahmen gesehen haben,“ überlegte ich.

„Sie haben den Platz ganz perfekt nach Sternenflottenprotokoll verlassen, jegliche für die Einheimischen wahrnehmbare Spuren beseitigt.“

„Oder doch fast alle….“ Richard bückte sich und fischte etwas aus dem Staub, was sich als abgebrochener Verschluss einer Sternenflottenbox entpuppte. „Aber ich nehme an, anders als in schlechten Romanen haben sie keine verschlüsselte Botschaft an den Wänden hinterlassen, die uns den Weg weist.“

Es gab Methoden, ‚unsichtbare‘ Schrift auf Stein anzubringen, aber die Frage war, ob die Feynman-Crew dafür Zeit und Möglichkeit gehabt hatte. Dennoch, wir sollten nichts unversucht lassen.

„Mr. Reed, starten Sie die den Drohnensensor, der die Wände im ultravioletten Licht abtastet,“ ordnete ich an. “Unterdessen schauen wir uns nach weiteren Spuren um.“ Das Einfachste wäre gewesen, einen Sender oder ein Datenmodul dazulassen, aber das ging natürlich nur auf unbewohnten Planeten…. Und so mussten wir nach anderen Hinweisen suchen.


*** In der nächsten Stadt ***

Einige Stunden darauf war klar geworden, dass es außer kleinen Metallsplittern, Plasteabrieb und anderen kleinen mikroskopischen Spuren keine Hinterlassenschaften in den Höhlensystemen gab. Leider eben auch keine Hinweise, die uns auf der ‚Schnitzeljagd‘ behilflich sein konnten!

Suchprotokollgemäß hatten wir uns in die nächstgelegene Stadt begeben, um dort nach Informationen zu fahnden. Wir erreichten sie kurz vor Sonnenuntergang, und daher war es angeraten, nach einem Nachtquartier Ausschau zu halten. Am nächsten Morgen wollten wir uns dann aufteilen.

Es war eine kleinere Stadt, und selbst Val’Kara fiel – neben der Luftverschmutzung– auf, wie liebevoll die Leute alle Gebäude gestaltet hatte. Selbst Wartehäusschen für die Trambahn und offensichtliche Werkstätten waren mit Zierleisten und Reliefs, kleinen Türmchen und Erkerchen versehen. An öffentlichen Plätzen gab es vielfach Brunnen und Skulpturen.

„Die Akademie für Kunstgeschichte wäre hier im Eldorado,“ murmelte Richard.

„Aber den Ruß muss man erst mal abkratzen.“

„Nun, das musste man ja auch auf der Erde bei zahlreichen Kunstwerken, in der Sixtinischen Kapelle, zum Beispiel.“

Wir waren vor einem besonders prächtig gestalteten Gebäude angekommen. Ich ließ mir vom Tricorder die Inschrift über dem Portal übersetzen. „Die Distriktbibliothek!“

Richard war die ersten Stufen hochgestiegen, um die Mosaikarbeiten links neben dem Portal in Augenschein zu nehmen, als die Tür aufgerissen wurde und zwei mit Büchern bepackte junge Leute heraus stürmten.

„Oh, Euer Spektabilität! Ich grüße Sie!“ rief einer von Ihnen und machte eine Verbeugung vor Richard. „Verzeihung, ich habe Sie nicht gleich gesehen! Sie sind sicher hier für den Literaturwettbewerb morgen?“

Ich sah seinen Kameraden Zeichen machen, die wohl universell in der Galaxis bedeuteten „Quassel das hohe Tier nicht voll“, aber der junge Bücherliebhaber nahm es nicht wahr.


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(PS: Spektabilität war früher Anrede für den Uni-Dekan, dachte, es passt =))
[Bild: Sareth-neu.jpg]
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