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KI-Ketzerei Log 8 - NPC - Druckversion

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KI-Ketzerei Log 8 - NPC - Sareth - Sun-Oct-2023

*** Spiros Alpha / Shazach Nueva ***

Namr blickte auf die das junge Mädchen, das vor ihm im Schein der Petroleumleuchte im Wohnungsflur stand, auf die glitzernden Reflexe der Perlen in ihren vielen keinen Zöpfen. Die Versuchung war groß, auf das Angebot einzugehen.

„Komm doch mit, Smilli wird spielen, da bebt der Tanzboden!“ wiederholte sie.

„Ich kann nicht. Du weißt, das Inventar fürs Museum.“ Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der wuchtigen, chromglänzenden Schreibmaschine im Zimmer am Ende des Flures. „Ich hätte doch schon gestern abliefern sollen. Aber ich bin mit der Reinschrift immer noch nicht fertig.“

„Weil du immer mit dem Finger in der Luft kreist, ehe du ihn auf eine der Tasten setzt, Namr!“ Sie lachte und fing dabei an zu husten.

„Irgendwann ersticken wir hier alle,“ brummte der junge Mann, während das Mädchen ihr Asthmaspray einsog.

„Ich warte auch sehnsüchtig auf die neuen Filtermasken,“ sagte sie dann.

„Ach, Masken! Wir müssen was gegen den ganzen Smog tun, den Ruß! Die Dampfzüge, die Dampfkarren, die ganze Industrie, alle spucken Ruß und Dreck aus. So kann es doch nicht weitergehen!“

„Du hörst dich an wie die Ketzer von Manag, die an der Uni ihre Flugblätter verteilen.“

„Ich sage nur, wir müssen was tun, was die Umweltverschmutzung angeht. Sauberere Antriebe und—„

„Und dafür brauchen wir dann Rechenmaschinen und so weiter! Hör auf damit! Damit bringst du dich in den Knast, mit solchem Gerede. Wir müssen dem Pfad der Wahrhaftigkeit folgen.“

Namr seufzte. „So eine kleine, einfache Steuereinheit, wenn sie uns zum Beispiel hilft, im Verkehr-„

„Ich will es nicht hören! Ich gehe jetzt!“ Sie drehte sich schwungvoll zur Tür, und die Perlen in den Zöpfen klirrten gegen einander. Dort wandte sie sich noch einmal um: „Hast du vielleicht die Berichte aus der Großen Verwirrung vergessen? Wie damals die Künstler, die Säulen unserer Kultur, als wertlos angesehen wurden, weil die Maschinen vollkommenere Kunstwerke erschaffen hätten? Oder wie beinahe zwischen Manag und Ival Krieg ausbrauch, weil die Rechenmaschinen falsche Meldungen verbreitet haben? Rechenmaschinen sind das Böse. Jeder weiß das.“

„Ja, natürlich hast du Recht. Aber, ich dachte nur… vielleicht gibt es Wege, dass nicht alles außer Kontrolle gerät? Ich meine, Spiros Alpha hatte damals Kontakt mit Außenweltlern. Also muss es Zivilisationen geben, die sich die Rechenmaschinen dienstbar gemacht haben, ohne von ihnen vernichtet worden zu sein.“

„Und woher weißt du, dass das nicht auch alles Falschmeldungen sind, damals verbreitet von der KI, um uns zu verwirren und uns ins Chaos zu stürzen? Das sagt zumindest mein Vater, und er ist immerhin Oberster Referenziar beim Rat für Glaubensfragen. – Also, kommst du nun mit tanzen oder willst du weiter Unsinn labern?“

„Heute nicht. Ich muss wirklich noch das Inventar fertig schreiben, oder der Supervisor streicht mir den Urlaub. Wir sehen uns morgen beim Seminar?“

„Ja, klar. Dann arbeite mal schön, du Arbeitssüchtiger!“ Der kleine Disput von eben war schon vergessen. Sie deutete einen Luftkuss in Namrs Richtung an, und war einen Moment später aus der Tür.

Er wartete, bis ihre Schritte auf den Stufen verklungen waren und trat ans Fenster, wo er ihr noch hinterher winkte. Ohnehin war sie an der nächsten Ecke in einer der schwerfälligen Trambahnen verschwunden.

Namr atmete tief durch, ging dann in sein Arbeitszimmer, an der Schreibmaschine vorbei. Er schob das Bett weit genug zur Seite, dass die kleine Tür dahinter zu öffnen war und verschwand in der kleinen Abstellkammer. Als er die Petroleumlampe anzündete und den Docht etwas hochdrehte, um die Flamme heller zu machen, fiel der Schein auf ein abenteuerliches Sammelsurium: an der linken Wand stapelten sich drei ausrangierte Stromgeneratoren der strombetriebenen Hochbahnstrecke übereinander. Rechts auf einem Hocker stand ein antiker dickbauchiger Televisionsempfänger. Dazwischen lagen, standen und hingen in einem Gewirr von Kabeln weitere Geräte.

Es hatte seinen Vorteil, in einem Museum zu arbeiten, dachte Namr. Vor allem, wenn man Zugang zum Depot hatte, das vollgestopft war mit Sachen, die dort seit hundert Jahren vor sich hin verstaubten. Von denen niemand wusste, dass sie dort überhaupt lagen. Nach und nach hatte er alles abgeschleppt, in Einzelteilen so manches. Die alten Generatoren hatte jemand aus seiner Gruppe aus dem Reparaturwerk der Hochbahn „besorgt“.

Seine Freundin würde sie wohl als Ketzer bezeichnen. Er und die anderen arbeiteten unter dem Tarnnamen „Die Erleuchter“.
Leider war es ihm trotz aller Mühe bisher nicht gelungen, auch nur das kleinste Signal von dem alten Transmitter auf das alte Televisionsgerät zu senden. Nicht einmal ein kleines weißes Feld leuchtete auf. Namr fuhr sich durch die blau gefärbten Haare. „Was hab ich bloß übersehen?!“